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 Allopathie zur Zeit Hahnemanns

 
Die orthodoxe Medizin gegen Ende des 18. Jahrhunderts gründete ihre Thesen auf ein humoralpathologisches Verständnis. Krankheit wurde in erster Linie als Blutüberfülle (Plethora) bzw. Vergiftung der "Säfte" verstanden. Konsequenterweise war die Grundlage jeder Behandlung das Ausleiten dieser krankmachenden Säftemischung. Aderlasse, Brech- und Abführmittel, Diuretika, Zugpflaster, Schröpfverfahren, Blutegel und andere schematische Methoden waren der Hauptbestandteil der ärztlichen Tätigkeit. 

Aber auch das Rezeptieren heroischer Dosen stark wirksamer Medikamente, wie z. B. 10 mal 10 Gran Calomel per die, waren an der Tagesordnung. Rezepturen mit bis zu vierhundert Bestandteilen waren keine Seltenheit; der berühmte "Venecianische Trunk" z. B. enthält fünfundsechzig Medikamente. Obwohl diese Form der "Rezeptierkunst" heute grundsätzlich nicht mehr angewandt wird, gibt es dennoch Medikamente, bestehend aus -zig Arzneien, die man als Relikt dieser Zeit verstehen muß. (Komplexmittel) 

Von Benjamin Rush (1745 - 1813), einem hochbekannten Arzt seiner Zeit in den U.S.A., wird gesagt, er habe seine Patienten mehr bluten lassen als jeder General im Krieg vor ihm seine Soldaten. 

Das älteste Britische Medizinjournal trägt heute noch den Namen "Lancet" . Die "Lancet" wurde 1823 gegründet und hat ihren Namen von einem Instrument, das Ÿrzte zu dieser Zeit genauso selbstverständlich mit sich führten wie heutzutage ein Stethoskop. Das Schimpfwort für Ÿrzte der westlichen Welt war auch zu dieser Zeit "Blutsauger". Daß Ludwig XIII innerhalb eines Jahres siebenundvierzigmal zur Ader gelassen wurde, erscheint einem heute fremd. 

Die Zeit zwischen 1740 - 1789 ist die Zeit der Aufklärung; es ist die Zeit neuer Strömungen in den Wissenschaften. Der Beginn des neunzehnten Jahrhunderts ist das Zeitalter der Empirie, des Materialismus und der Metaphysik. Aber innerhalb der Medizin beeinflußt die Humoralpathologie, die Theorie von krankmachenden Körpersäften, das medizinischen Denken derart, daß selbst revolutionäre Erkenntnisse wie Harvey´s Entdeckung der Blutzirkulation (1680) noch Jahre brauchen, um allgemein anerkannt zu sein. 

Hahnemann ist ein Kind der Aufklärung und der Empirie. Er spürt, daß das Medizinverständnis falsch ist und richtet schon seine frühe Praxis zumindest danach aus, die Selbstheilungsversuche des kranken Menschen entsprechend der "Vis Medicatrix Naturae" nicht zu stören oder gar unmöglich zu machen. Er spricht als erster über das Blut als die "Flüssigkeit des Lebens" und verbietet jegliches Verfahren, das den Organismus unnötig schwächt. 

Dank Intuition, Logik und wissenschaftlich orientiertem Geist spricht er erstmalig unmißverständlich vom dynamischen Aspekt der Krankheit als einem sich ständig -wie das Leben auch- im Wandel befindlichen Ding, das nur durch uns, vom eigentlich erkrankten Menschen, losgelöst verstanden wird. 

Er begreift das die Wissenschaft etwas trennen möchte, was sich nicht trennen läßt. In den nächsten Jahren richtet er seine Forschungsarbeit danach aus, die Individualität des Erkrankten und der Erkrankung zu untersuchen. 

Seiner Meinung nach leidet jeder Erkankte an einer namenlosen Krankheit, die vor ihm noch nie eine andere Person unter gleichen Umständen und in der gleichen Art hatte bzw. bekommen wird. Konsequenterweise fordert er eine rigide Individualisierung eines jeden einzelnen Falls. 

Hippokrates, der Vater der antiken Medizin, schrieb: "Die Natur des menschlichen Organismus kann nur in ihrer Gesamtheit verstanden werden". Diese Forderung hatte allerdings in der westlichen Welt nur wenig Beachtung gefunden bis zu dem Moment, in dem Hahnemann seine Theorie formulierte und damit ein Gesetz in der Medizin schuf. 

Die moderne Medizin unserer Zeit hat die homöopathischen Grundlagen, über das Ÿhnlichkeitsgesetz bis hin zu extrem verfeinerten Dosierungen, theoretisch weitgehend akzeptiert. Nirgendwo wird dies deutlicher als in der Impfpraxis unseres Jahrhunderts sowie innerhalb der Allergologie der letzten zwanzig Jahre. Allerdings beweist z.B. die massenhafte Verwendung von radioaktiven Markern in der Klinikdiagnostik, daß die iatrogenen Auswirkungen von kleinsten Dosen, in diesem Fall die Strahlenbelastung, noch so naiv eingeschätzt werden wie zu Hahnemanns Zeiten die Auswirkungen des Aderlassens. Von einer wirklichen Inanspruchnahme der Homöopathie durch die moderne Medizin kann also nicht gesprochen werden. 

Hahnemanns größte Leistung besteht wahrscheinlich darin, das Ÿhnlichkeitsprinzip vollständig als Therapie angewandt zu haben. 

Schon im indischen Ayurveda, durch Hippokrates sowie von Galenos wurden Arzneimittelprüfungen an Gesunden gefordert. Shen Nung in China (2500 v. Chr.) war vermutlich der erste Mediziner, der hierin forschte. Erste schriftlich dokumentierte, rationale Prüfungen gehen auf Li Shih-chen (1580) zurück*. Von Paracelsus ist überliefert, daß er ebenfalls Prüfungen bestimmter Arzneien an sich durchgeführt hat. Allerdings war der Umfang dieser Arzneimittelprüfungen bis zu Hahnemanns Zeit sehr gering. 

Hahnemann führte als erster in der westlichen Welt standartisierte Arzneimittelprüfungen an gesunden Personen durch und sicherte uns dadurch genaue Kenntnis über die Wirkung einzelner Arzneien. 


* "Pen-cao Kang-mou"  Lehrbuch der chin. Pharmakologie (Beschreibung der Wirkung von ca. 11000 Drogen) 

 

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