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Organon der Heilkunst

Paragraphen

 
1 § 
 Des Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu 
 machen, was man Heilen nennt (1). 

 1)Nicht aber (womit so viele Ärzte bisher Kräfte und Zeit ruhmsüchtig 
 verschwendeten) das Zusammenspinnen leerer Einfälle und Hypothesen über 
 das innere Wesen des Lebensvorgangs und der Krankheitsentstehungen im 
 unsichtbaren Innern zu sogenannten Systemen, oder die unzähligen 
 Erklärungsversuche über die Erscheinungen in Krankheiten und die, ihnen 
 stets verborgen gebliebene, nächste Ursache derselben u.s.w. in 
 unverständliche Worte und einen Schwulst abstracter Redensarten gehüllt, 
 welche gelehrt klingen s ollen, um den Unwissenden in Erstaunen zu setzen, 
 während die kranke Welt vergebens nach Hülfe seufzte. Solcher gelehrter 
 Schwärmereien (man nennt es theoretische Arzneikunst und hat sogar eigne 
 Professuren dazu) haben wir nun gerade genug, und es wird hohe Zeit, daß, 
 was sich Arzt nennt, endlich einmal aufhöre, die armen Menschen mit 
 Geschwätze zu täuschen, und dagegen nun anfange zu handeln, das ist, 
 wirklich zu helfen und zu heilen. 

 2 § 
 Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte 
 Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der 
 Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, 
 unnachtheiligsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen. 

 3 § 
 Sieht der Arzt deutlich ein, was an Krankheiten, das ist, was an jedem 
 einzelnen Krankheitsfalle insbesondere zu heilen ist 
 (Krankheits-Erkenntniß, Indication), sieht er deutlich ein, was an den 
 Arzneien, das ist, an jeder Arznei insbesondere, das Heilende ist 
 (Kenntniß der Arzneikräfte), und weiß er nach deutlichen Gründen das 
 Heilende der Arzneien dem was er an dem Kranken unbezweifelt Krankhaftes 
 erkannt hat, so anzupassen, daß Genesung erfolgen muß, anzupassen sowohl 
 in Hinsicht der Angemessenheit der für den Fall nach ihrer Wirkungsart 
 geeignetsten Arznei (Wahl des Heilmittels, Indicat), als auch in Hinsicht 
 der genau erforderlichen Zubereitung und Menge derselben (rechte Gabe) und 
 der gehörigen Wiederholungszeit der Gabe: - kennt er endlich die 
 Hindernisse der Genesung in jedem Falle und weiß sie hinwegzuräumen, damit 
 die Herstellung von Dauer sei: so versteht er zweckmäßig und gründlich zu 
 handeln und ist ein ächter Heilkünstler. 

 4 § 
 Er ist zugleich ein Gesundheit-Erhalter, wenn er die Gesundheit störenden 
 und Krankheit erzeugenden und unterhaltenden Dinge kennt und sie von den 
 gesunden Menschen zu entfernen weiß. 

 5 § 
 Als Beihülfe der Heilung dienen dem Arzte die Data der wahrscheinlichsten 
 Veranlassung der acuten Krankheit, so wie die bedeutungsvollsten Momente 
 aus der ganzen Krankheits-Geschichte des langwierigen Siechthums, um 
 dessen Grundursache, die meist auf einem chronischen Miasm beruht, 
 ausfindig zu machen, wobei die erkennbare Leibes-Beschaffenheit des 
 (vorzüglich des langwierig) Kranken, sein gemüthlicher und geistiger 
 Charakter, seine Beschäftigungen, seine Lebensweise und (Gewohnheiten, 
 seine bürgerlichen u nd häuslichen Verhältnisse, sein Alter und seine 
 geschlechtliche Function, u.s.w. in Rücksicht zu nehmen sind. 

 6 § 
 Der vorurtheillose Beobachter, - die Nichtigkeit übersinnlicher 
 Ergrübelungen kennend, die sich in der Erfahrung nicht nachweisen lassen, 
 - nimmt, auch wenn er der scharfsinnigste ist, an jeder einzelnen 
 Krankheit nichts, als äußerlich durch die Sinne erkennbare Veränderungen 
 im Befinden des Leibes und der Seele, Krankheitszeichen, Zufälle, Symptome 
 wahr, das ist, Abweichungen vom gesunden, ehemaligen Zustande des jetzt 
 Kranken, die dieser selbst fühlt, die die Umstehenden an ihm wahrnehmen, 
 und die der Ar zt an ihm beobachtet. Alle diese wahrnehmbaren Zeichen 
 repräsentiren die Krankheit in ihrem ganzen Umfange, das ist, sie bilden 
 zusammen die wahre und einzig denkbare Gestalt der Krankheit (2). 

 2) Ich weiß daher nicht, wie es möglich war, daß man am Krankenbette, ohne 
 auf die Symptome sorgfältigst zu achten und sich nach ihnen bei der 
 Heilung genau zu richten, das an der Krankheit zu Heilende bloß im 
 verborgnen und unerkennbaren Innern suchen zu müssen und finden zu können 
 sich einfallen ließ, mit dem prahlerischen und lächerlichen Vorgeben, daß 
 man das im unsichtbaren Innern Veränderte, ohne sonderlich auf die 
 Symptome zu achten, erkennen und mit (ungekannten!) Arzneien wieder in 
 Ordnung bringe n könne und daß so Etwas einzig gründlich und rationell 
 kuriren heiße?Ist denn das, durch Zeichen an Krankheiten sinnlich 
 Erkennbare nicht für den Heilkünstler die Krankheit selbst - da er das die 
 Krankheit schaffende, geistige Wesen, die Lebenskraft, doch nie sehen kann 
 und sie selbst auch nie, sondern bloß ihre krankhaften Wirkungen zu sehen 
 und zu erfahren braucht, um hienach die Krankheit heilen zu können? Was 
 will nun noch außerdem die alte Schule für eine prima causa morbi im 
 verborgnen Innern aufsuchen, dagegen aber die sinnlich und deutlich 
 wahrnehmbare Darstellung d er Krankheit, die vernehmlich zu uns 
 sprechenden Symptome, als Heilgegenstand verwerfen und vornehm verachten? 
 Was will sie denn sonst an Krankheiten heilen als diese? 

 7 § 
 Da man nun an einer Krankheit, von welcher keine sie offenbar 
 veranlassende oder unterhaltende Ursache (causa occasionalis) zu entfernen 
 ist (3) sonst nichts wahrnehmen kann, als die Krankheits-Zeichen, so 
 müssen, unter Mithinsicht auf etwaniges Miasm und unter Beachtung der 
 Nebenumstände (. 5.), es auch einzig die Symptome sein, durch welche die 
 Krankheit die, zu ihrer Hülfe geeignete Arznei fordert und auf dieselbe 
 hinweisen kann - so muß die Gesammtheit dieser ihrer Symptome, dieses nach 
 außen reflec tirende Bild des innern Wesens der Krankheit, d.i. des 
 Leidens der Lebenskraft, das Hauptsächlichste oder Einzige sein, wodurch 
 die Krankheit zu erkennen geben kann, welches Heilmittel sie bedürfe, - 
 das Einzige, was die Wahl des angemessensten Hilfsmittels bestimmen kann - 
 so muß, mit einem Worte, die Gesammtheit (4) der Symptome für den 
 Heilkünstler das Hauptsächlichste, ja Einzige sein, was er an jedem 
 Krankheitsfalle zu erkennen und durch seine Kunst hinwegzunehmen hat, 
 damit die Krankheit geheilt und in Gesundheit verwandelt werde. 

 3) Daß jeder verständige Arzt diese zuerst hinwegräumen wird, versteht 
 sich; dann läßt das Übelbefinden gewöhnlich von selbst nach. Er wird die, 
 Ohnmacht und hysterische Zustande erregenden, stark duftenden Blumen aus 
 dem Zimmer entfernen, den Augen-Entzündung erregenden Splitter aus der 
 Hornhaut ziehen, den Brand drohenden, allzufesten Verband eines 
 verwundeten Gliedes lösen und passender anlegen, die Ohnmacht 
 herbeiführende, verletzte Arterie bloßlegen und unterbinden, verschluckte 
 Belladonne-Beeren u.s .w. durch Erbrechen fortzuschaffen suchen, die in 
 Öffnungen des Körpers (Nase, Schlund, Ohren, Harnröhre, Mastdarm, Scham) 
 gerathenen fremden Substanzen ausziehen, den Blasenstein zermalmen, den 
 verwachsenen After des neugebornen Kindes öffnen u.s.w. 

 4) Von jeher suchte die alte Schule, da man sich oft nicht anders zu 
 helfen wußte, in Krankheiten ein einzelnes der mehrern Symptome durch 
 Arzneien zu bekämpfen und wo möglich zu unterdrücken - eine Einseitigkeit, 
 welche, unter dem Namen: Symptomatische Curart, mit Recht allgemeine 
 Verachtung erregt hat, weil durch sie nicht nur nichts gewonnen, sondern 
 auch viel verdorben wird. Ein einzelnes der gegenwärtigen Symptome ist so 
 wenig die Krankheit selbst, als ein einzelner Fuß der Mensch selbst ist. 
 Dieses Verfahren war um desto verwerflicher da man ein solches einzelnes 
 Symptom nur durch ein entgegengesetztes Mittel (also bloß enantiopathisch 
 und palliativ) behandelte, wodurch es nach kurz dauernder Linderung sich 
 nachgängig nur um desto mehr verschlimmert. 

 8 § 
 Es läßt sich nicht denken, auch durch keine Erfahrung in der Welt 
 nachweisen, daß, nach Hebung aller Krankheitssymptome und des ganzen 
 Inbegriffs der wahrnehmbaren Zufälle, etwas anders, als Gesundheit, übrig 
 bliebe oder übrig bleiben könne, so daß die krankhafte Veränderung im 
 Innern ungetilgt geblieben wäre (5). 

 5) Wenn jemand dergestalt von seiner Krankheit durch einen wahren 
 Heilkünstler hergestellt worden, daß kein Zeichen von Krankheit, kein 
 Krankheits-Symptom mehr übrig und alle Zeichen von Gesundheit dauernd 
 wiedergekehrt sind, kann man bei einem solchen, ohne dem Menschenverstande 
 Hohn zu sprechen, die ganze leibhafte Krankheit doch noch im Innern 
 wohnend voraussetzen? Und dennoch behauptete der ehemalige Vorsteher der
 alten Schule, Hufeland, dergleichen mit den Worten (s. d. Homöopathie S. 
 27. Z. 19.): .. Die Homöopathik kann die Symptome heben, aber die 
 Krankheit bleibt" - behauptete es theils aus Gram über die Fortschritte 
 der Homöopathik zum Heile der Menschen, theils weil er noch ganz 
 materielle Begriffe von Krankheit hatte, die er noch nicht als ein, 
 dynamisch von der krankhaft verstimmten Lebenskraft verändertes Sein des 
 Organisms, nicht als abgeändertes Befinden sich zu denken vermochte, 
 sondern sie für ein materielles Ding ansah, was nach geschehener Heilung 
 noch in irgend einem Winkel im Innern des Körpers liegen geblieben sein 
 könnte, um dereinst einmal bei schönster Gesundheit, nach Belieben, mit 
 seiner materiellen Gegenwart hervorzubrechen! So kraß ist noch die 
 Verblendung der alten Pathologie! Kein Wunder, daß eine solche nur eine 
 Therapie erzeugen konnte, die auf bloßes Ausfegen des armen Kranken 
 losging. 

 9 § 
 Im gesunden Zustande des Menschen waltet die geistartige, als Dynamis den 
 materiellen Körper (Organism) belebende Lebenskraft (Autocratie) 
 unumschränkt und hält alle seine Theile in bewundernswürdig harmonischem 
 Lebensgange in Gefühlen und Thätigkeiten, so daß unser inwohnende, 
 vernünftige Geist sich dieses lebendigen, gesunden Werkzeugs frei zu dem 
 höhern Zwecke unsers Daseins bedienen kann. 

 10 § 
 Der materielle Organism, ohne Lebenskraft gedacht, ist keiner Empfindung, 
 keiner Thätigkeit, keiner Selbsterhaltung fähig (6); nur das immaterielle, 
 den materiellen Organism im gesunden und kranken Zustande belebende Wesen 
 (das Lebensprincip, die Lebenskraft) verleiht ihm alle Empfindung und 
 bewirkt seine Lebensverrichtungen. 

 6) Er ist todt und, nun bloß der Macht der physischen Außenwelt 
 unterworfen, fault er und wird wieder in seine chemischen Bestandtheile 
 aufgelöst. 

 11 § 
 Wenn der Mensch erkrankt, so ist ursprünglich nur diese geistartige, in 
 seinem Organism überall anwesende, selbstthätige Lebenskraft 
 (Lebensprincip) durch den, dem Leben feindlichen, dynamischen (7) Einfluß 
 eines krankmachenden Agens verstimmt; nur das zu einer solchen 
 Innormalität verstimmte Lebensprincip, kann dem Organism die widrigen 
 Empfindungen verleihen und ihn so zu regelwidrigen Thätigkeiten bestimmen, 
 die wir Krankheit nennen, denn dieses, an sich unsichtbare und bloß an 
 seinen Wirkungen im Orga nism erkennbare Kraftwesen, giebt seine 
 krankhafte Verstimmung nur durch Äußerung von Krankheit in Gefühlen und 
 Thätigkeiten, (die einzige, den Sinnen des Beobachters und Heilkünstlers 
 zugekehrte Seite des Organisms), das ist, durch Krankheits-Symptomen zu 
 erkennen und kann sie nicht anders zu erkennen geben. 

 7) Was ist dynamischer Einfluß, dynamische Kraft? 
 Wir nehmen wahr, daß unsere Erde durch eine heimliche, unsichtbare Kraft 
 ihren Mond in 28 Tagen und etlichen Stunden um sich herumführt und wie 
 dagegen der Mond unsere nördlichen Meere abwechselnd in festgesetzten 
 Stunden zur Fluth erhebet und in gleichen Stunden wieder zur Ebbe sinken 
 läßt (einige Verschiedenheit beim Voll- und Neumonde abgerechnet). Wir 
 sehen dieß und erstaunen, weil unsere Sinne nicht wahrnehmen, auf welche 
 Weise dieß geschieht. Offenbar geschieht es nicht durch materielle 
 Werkzeuge, nicht durch mechanische Veranstaltungen, wie menschliche Werke. 
 Und so sehen wir noch viele andere Ereignisse um uns her, als Erfolge von 
 der Wirkung der einen Substanz auf die andere, ohne daß ein sinnlich 
 wahrnehmbarer Zusammenhang zwischen Ursache und Erfolg zu erkennen wäre. 
 Der kultivirte, im Vergleichen und Abstrahiren geübte Mensch, vermag 
 allein, sich dabei eine Art übersinnliche Idee zu bilden, welche 
 hinreicht, um, beim Auffassen solcher Begriffe, alles Materielle oder 
 Mechanische in seinen Gedanken davon entfernt zu halten; er nennt solche 
 Wirkungen dynamische, virtuelle, das ist, solche, die durch absolute, 
 spezifische, reine Macht und Wirkung des Einen auf das Andere, erfolgen. 
 So ist z.B. die dynamische Wirkung der krankmachenden Einflüsse auf den 
 gesunden Menschen, sowie die dynamische Kraft der Arzneien auf das 
 Lebensprincip, um den Mensche n wieder gesund zu machen, nichts als 
 Ansteckung und so ganz und gar nicht materiell, so ganz und gar nicht 
 mechanisch, als es die Kraft eines Magnetstabes ist, wenn er ein, in 
 seiner Nähe liegendes Stück Eisen oder Stahl mit Gewalt an sich zieht. Man 
 sieht, daß das Stück Eisen von einem Ende (Pole) des Magnetstabes 
 angezogen wird; aber wie es geschieht, sieht man nicht. Diese unsichtbare 
 Kraft des Magnets bedarf, um das Eisen an sich zu ziehen, keines 
 mechanischen (materiellen) Hülfsmittels, keines Hakens oder Hebels; sie 
 zieht es an sich und wirkt so auf das Stück Eisen, oder auf eine Nadel von 
 Stahl mittels einer reinen immaleriellen, unsichtbaren, geistartigen, 
 eignen Kraft, das ist dynamisch, theilt auch der Stahl-Nadel die 
 magnetische Kraft eben so unsichtbar (dynamisch) mit; die Stahl-Nadel 
 wird, auch wenn der Magnet sie nicht berührt, auch schon in einiger 
 Entfernung von ihm, selbst magnetisch und steckt wieder andere 
 Stahl-Nadeln mit derselben magnetischen Eigenschaft (dynamisch) an, womit 
 sie vom Ma gnetstabe vorher angesteckt worden war, so wie ein Kind mit 
 Menschen-Pocken oder Masern behaftet, dem nahen, von ihm nicht berührten, 
 gesunden Kinde, auf unsichtbare Weise (dynamisch) die Menschen-Pocken oder 
 die Masern mittheilt, das ist, es in der Entfernung ansteckt, ohne daß 
 etwas Materielles von dem ansteckenden Kinde in das anzusteckende gekommen 
 war, oder gekommen sein konnte, so wenig als aus dem Pole des Magnetstabes 
 etwas Materielles in die nahe Stahl-Nadel. Eine bloß spezifische, 
 geistartige Einw irkung theilte dem nahen Kinde dieselbe Pocken- oder 
 Masern-Krankheit mit, wie der Magnetstab der ihm nahen Nadel, die 
 magnetische Eigenschaft.Und auf ähnliche Weise ist die Wirkung der 
 Arzneien auf den lebenden Menschen zu beurtheilen. Die Natur-Substanzen, 
 die sich uns als Arzneien beweisen, sind nur Arzneien in sofern sie (jede 
 eine eigne spezifische) Kraft besitzen, das menschliche Befinden zu ändern 
 durch dynamische, geistartige Einwirkung (mittels der lebenden, 
 empfindlichen Faser) auf das geistartige, das Lehen verwaltende 
 Lebensprincip.Das Arzneiliche jener Natur-Substanzen, die wir im engern 
 Sinne Arzneien nennen, bezieht sich bloß auf ihre Kraft, Veränderungen im 
 Befinden des thierischen Lebens hervor zu bringen; bloß auf dieses, auf 
 das geistartige Lebensprincip, erstreckt sich dessen, Befinden ändernder, 
 geistartiger (dynamischer) Einfluß; so wie die Nähe eines Magnet-Poles dem 
 Stahle nur magnetische Kraft mittheilen kann, (und zwar durch eine Art 
 Ansteckung) aber nicht andere Eigenschaften, (nicht z. B. mehr Härte oder 
 Dehnbarkeit, u.s.w.) Und so verändert auch jede besondere Arznei-Substanz, 
 durch eine Art von Ansteckung, das Menschen-Befinden auf eine, ihr 
 ausschließlich eigenthümliche Weise, und nicht auf die einer andern Arznei 
 eigne, so gewiß die Nähe eines Pocken kranken Kindes einem gesunden Kinde 
 nur die Menschen-Pocken-Krankheit mittheilen wird und nicht die Masern. 
 Dynamisch, wie durch Ansteckung, geschieht diese Einwirkung der Arzneien 
 auf unser Befinden, ganz ohne Mittheilung materieller Theile der 
 Arznei-Substanz. Auf die beste Art dynamisirter Arzneien kleinste Gabe, - 
 worin sich nach angestellter Berechnung nur so wenig Materielles befinden 
 kann, daß dessen Kleinheit vom besten arithmetischen Kopfe nicht mehr 
 gedacht und begriffen werden kann, äußert im geeigneten Krankheits-Falle 
 bei weitem mehr Heilkraft als große Gaben derselben Arznei in Substanz. 
 Jene feinste Gabe kann daher fast einzig nur die reine, frei enthüllte, 
 geistartige Arznei-Kraft enthalten, und nur dynamisch so große Wirkungen 
 vollführen, als von der eingenommenen rohen Arznei-Substanz selbst in 
 großer Gabe, nie erreicht werden konnte. Es sind nicht die körperlichen 
 Atome dieser hoch dynamisirten Arzneien noch ihre physische oder 
 mathematische Oberfläche (womit man die höhern Kräfte der dynamisirten 
 Arzneien, immer noch materiell genug, aber vergeblich deuteln will), 
 vielmehr liegt unsichtbarer Weise in dem so befeuchteten Kügelchen oder in 
 seiner Auflösung eine aus der Arznei-Substanz möglichst enthüllte und 
 freigewordene, spezifische Arzneikraft, welche schon durch Berührung der 
 lebenden Thierfaser auf den ganzen Organism dynamisch ein wirkt (ohne ihm 
 jedoch irgend eine, auch noch so fein gedachte Materie mitzutheilen) und 
 zwar desto stärker, je freier und immaterieller sie durch die Dynamisation 
 (§ 270) geworden war. 
 Ist es denn unserm, als so reich an aufgeklärten und denkenden Köpfen 
 gerühmten Zeitalter so ganz unmöglich, dynamische Kraft als etwas 
 Unkörperliches zu denken, da man doch täglich Erscheinungen sieht, die 
 sich nicht auf andere Weise erklären lassen!Wenn Du etwas ekelhaftes 
 ansiehst und es hebt sich in Dir zum Erbrechen, war da etwa ein 
 materielles Brechmittel in Deinen Magen gekommen, was ihn zu dieser 
 antiperistaltischen Bewegung zwang? War es nicht einzig die dynamische 
 Wirkung des ekeln Anblicks auf Deine Einbildungskraft allein? Und, wenn Du 
 Deinen Arm aufhebst, geschieht es etwa durch ein materielles, sichtbares 
 Werkzeug? einen Hebel? Ist es nicht einzig die geistartige, dynamische 
 Kraft Deines Willens, die ihn hebt? 

 12 § 
 Einzig die krankhaft gestimmte Lebenskraft bringt die Krankheiten hervor 
 (8), so daß die, unsern Sinnen wahrnehmbare Krankheits-Äußerung zugleich 
 alle innere Veränderung, das ist, die ganze krankhafte Verstimmung der 
 innern Dynamis ausdrückt und die ganze Krankheit zu Tage legt. Hinwiederum 
 bedingt aber auch das Verschwinden aller Krankheits-Äußerungen, das ist, 
 aller vom gesunden Lebens-Vorgange abweichenden, merkbaren Veränderungen 
 mittels Heilung, eben so gewiß die Wiederherstellung der Integrität des L 
 ebens-Princips und setzt folglich die Wiederkehr der Gesundheit des ganzen 
 Organism nothwendig voraus. 

 8) Wie die Lebenskraft den Organism zu den krankhaften Äußerungen bringt, 
 d.i. wie sie Krankheit schafft; von diesem Wie und Warum kann der 
 Heilkünstler keinen Nutzen ziehen und sie wird ihm ewig verborgen bleiben; 
 nur was ihm von der Krankheit zu wissen nöthig und völlig hinreichend zum 
 Heilbehufe war, legte der Herr des Lebens vor seine Sinne. 

 13 § 
 Daher ist Krankheit (die nicht der manuellen Chirurgie anheimfällt), 
 keinesweges wie von den Allöopathen geschieht, als ein vom lebenden 
 Ganzen, vom Organism und von der ihn belebenden Dynamis gesondertes, 
 innerlich verborgnes, obgleich noch so fein gedachtes Wesen (ein Unding), 
 was bloß in materiellen Köpfen entstehen konnte und der bisherigen Medicin 
 seit Jahrtausenden alle die verderblichen Richtungen gegeben hat die sie 
 zu einer wahren Unheilkunst schufen) zu betrachten. 

 14 § 
 Es giebt nichts krankhaftes Heilbare und nichts unsichtbarer Weise 
 krankhaft verändertes Heilbare im Innern des Menschen, was sich nicht 
 durch Krankheits-Zeichen und Symptome dem genau beobachtenden Arzte zu 
 erkennen gäbe, - ganz der unendlichen Güte des allweisen Lebenserhalters 
 der Menschen gemäß. 

 15 § 
 Das Leiden der krankhaft verstimmten, geistartigen, unsern Körper 
 belebenden Dynamis (Lebenskraft) im unsichtbaren Innern und der Inbegriff 
 der von ihr im Organism veranstalteten, äußerlich wahrnehmbaren, das 
 vorhandene Übel darstellenden Symptome, bilden nämlich ein Ganzes, sind 
 Eins und Dasselbe. Wohl ist der Organism materielles Werkzeug zum Leben, 
 aber ohne Belebung von der instinktartig fühlenden und ordnenden Dynamis 
 so wenig denkbar, als Lebenskraft ohne Organism; folglich machen beide 
 eine Einheit aus, obgleich wir in Gedanken diese Einheit, der leichtern 
 Begreiflichkeit wegen in zwei Begriffe spalten. 

 16 § 
 Von schädlichen Einwirkungen auf den gesunden Organism, durch die 
 feindlichen Potenzen, welche von der Außenwelt her das harmonische 
 Lebensspiel stören, kann unsere Lebenskraft als geistartige Dynamis nicht 
 anders denn auf geistartige (dynamische) Weise ergriffen und afficirt 
 werden und alle solche krankhafte Verstimmungen (die Krankheiten) können 
 auch durch den Heilkünstler nicht anders von ihr entfernt werden, als 
 durch geistartige (dynamische, virtuelle) Umstimmungskräfte der dienlichen 
 Arzneien auf unsere geistartige Lebenskraft, percipirt durch den, im 
 Organism allgegenwärtigen Fühlsinn der Nerven. Demnach können 
 Heil-Arzneien, nur durch dynamische Wirkung auf das Lebensprincip 
 Gesundheit und Lebens-Harmonie wieder herstellen und stellen sie wirklich 
 her, nachdem die unsern Sinnen merkbaren Veränderungen in dem Befinden des 
 Kranken (der Symptomen-Inbegriff) dem aufmerksam beobachtenden und 
 forschenden Heilkünstler, die Krankheit so vollkommen dargestellt hatten, 
 als es um sie heilen zu können, nöthi g wahr. 

 17 § 
 Da nun jedesmal in der Heilung, durch Hinwegnahme des ganzen Inbegriffs 
 der wahrnehmbaren Zeichen und Zufälle der Krankheit, zugleich die ihr zum 
 Grunde liegende, innere Veränderung der Lebenskraft - also das Total der 
 Krankheit - gehoben wird (9), so folgt, daß der Heilkünstler bloß den 
 Inbegriff der Symptome hinweg zu nehmen hat, um mit ihm zugleich die 
 innere Veränderung, das ist, die krankhafte Verstimmung des Lebensprincips 
 - also das Total der Krankheit, die Krankheit selbst, aufzuheben und zu 
 verni chten (10). Die vernichtete Krankheit aber ist hergestellte 
 Gesundheit, das höchste und einzige Ziel des Arztes, der die Bedeutung 
 seines Berufes kennt, welcher nicht in gelehrt klingendem Schwatzen, 
 sondern im Helfen besteht. 

 9) So wie auch die höchste Krankheit durch hinreichende Verstimmung des 
 Lebensprincips mittels der Einbildungskraft zuwege gebracht und so auf 
 gleiche Art wieder hinweg genommen werden kann. Ein ahnungartiger Traum, 
 eine abergläubige Einbildung, oder eine feierliche Schicksal-Prophezeiung 
 des, an einem gewissen Tage oder zu einer gewissen Stunde unfehlbar zu 
 erwartenden Todes, brachte nicht selten alle Zeichen entstehender und 
 zunehmender Krankheit des herannahenden Todes und den Tod selbst zur 
 angedeutet en Stunde zuwege, welches ohne gleichzeitige Bewirkung der (dem 
 von außen wahrnehmbaren Zustande entsprechenden) innern Veränderung nicht 
 möglich war; daher wurden in solchen Fällen, aus gleicher Ursache, durch 
 eine künstliche Täuschung oder Gegenüberredung nicht selten wiederum alle 
 den nahen Tod ankündigenden Krankheitsmerkmale verscheucht und plötzlich 
 Gesundheit wieder hergestellt, welches ohne Wegnahme der Tod bereitenden, 
 innern und äußern krankhaften Veränderungen, mittels dieser bloß 
 moralischen Hei lmittel nicht möglich gewesen wäre. 

 10) Nur so konnte Gott, der Erhalter der Menschen, seine Weisheit und Güte 
 bei Heilung der sie hienieden befallenden Krankheiten an den Tag legen, 
 daß er dem Heilkünstler offen darthat, was derselbe bei Krankheiten hinweg 
 zu nehmen habe, um sie zu vernichten und so die Gesundheit herzustellen. 
 Was müßten wir aber von seiner Weisheit und Güte denken, wenn er das an 
 Krankheiten zu Heilende (wie die, ein divinatorisches Einschauen in das 
 innere Wesen der Dinge affektirende, bisherige Arzneischule vorgab) in e 
 in mystisches Dunkel gehüllt, im Innern verschlossen, und es so dem 
 Menschen unmöglich gemacht hätte, das Übel deutlich zu erkennen, folglich 
 unmöglich, es zu heilen? 

 18 § 
 Von dieser nicht zu bezweifelnden Wahrheit, daß, außer der Gesammtheit der 
 Symptome, unter Hinsicht auf die begleitenden Umstände (. 5) an 
 Krankheiten auf keine Weise etwas auszufinden ist, wodurch sie ihr 
 Hülfe-Bedürfniß ausdrücken könnten, geht unwidersprechlich hervor, daß der 
 Inbegriff aller, in jedem einzelnen Krankheitsfalle wahrgenommenen 
 Symptome und Umstände die einzige Indication, die einzige Hinweisung auf 
 ein zu wählendes Heilmittel sei. 

 19 § 
 Indem nun die Krankheiten nichts als Befindens-Veränderungen des Gesunden 
 sind, die sich durch Krankheits-Zeichen ausdrücken, und die Heilung 
 ebenfalls nur durch Befindensveränderung des Kranken in den gesunden 
 Zustand möglich ist, so sieht man leicht, daß die Arzneien auf keine Weise 
 Krankheiten würden heilen können, wenn sie nicht die Kraft besäßen, das 
 auf Gefühlen und Thätigkeiten beruhende Menschenbefinden umzustimmen, ja, 
 daß einzig auf dieser ihrer Kraft, Menschenbefinden umzuändern, ihre 
 Heilkraft b eruhen müsse. 

 20 § 
 Diese im innern Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft, 
 Menschenbefinden umzuändern und daher Krankheiten zu heilen, ist an sich 
 auf keine Weise mit bloßer Verstandes-Anstrengung erkennbar; bloß durch 
 ihre Äußerungen beim Einwirken auf das Befinden der Menschen, läßt sie 
 sich in der Erfahrung, und zwar deutlich wahrnehmen. 

 21 § 
 Da nun, was niemand läugnen kann, das heilende Wesen in Arzneien nicht an 
 sich erkennbar ist und bei reinen Versuchen, selbst vom scharfsinnigsten 
 Beobachter, an Arzneien sonst nichts, was sie zu Arzneien oder Heilmitteln 
 machen könnte, wahrgenommen werden kann, als jene Kraft, im menschlichen 
 Körper deutliche Veränderungen seines Befindens hervorzubringen, besonders 
 aber den gesunden Menschen in seinem Befinden umzustimmen und mehre, 
 bestimmte Krankheitssymptome in und an demselben zu erregen, so folgt: d 
 aß wenn die Arzneien als Heilmittel wirken, sie ebenfalls nur durch diese 
 ihre Kraft Menschenbefinden mittels Erzeugung eigenthümlicher Symptome 
 umzustimmen, ihr Heilvermögen in Ausübung bringen können, und daß wir uns 
 daher nur an die krankhaften Zufälle, die die Arzneien im gesunden Körper 
 erzeugen, als an die einzig mögliche Offenbarung ihrer inwohnenden 
 Heilkraft, zu halten haben, um zu erfahren, welche 
 Krankheits-Erzeugungskraft jede einzelne Arznei, das ist zugleich, welche 
 Krankheits-Heilungskraft je de besitze. 

 22 § 
 Indem aber an Krankheiten nichts aufzuweisen ist, was an ihnen 
 hinwegzunehmen wäre, um sie in Gesundheit zu verwandeln, als der Inbegriff 
 ihrer Zeichen und Symptome, und auch die Arzneien nichts Heilkräftiges 
 aufweisen können, als ihre Neigung, Krankheits-Symptome bei Gesunden zu 
 erzeugen und am Kranken hinwegzunehmen, so folgt auf der einen Seite, daß 
 Arzneien nur dadurch zu Heilmitteln werden und Krankheiten zu vernichten 
 im Stande sind, daß das Arzneimittel durch Erregung gewisser Zufälle und 
 Symptome, das ist, durch Erzeugung eines gewissen künstlichen 
 Krankheits-Zustandes die schon vorhandnen Symptome, nämlich den zu 
 heilenden, natürlichen Krankheitszustand, aufhebt und vertilgt, - auf der 
 andern Seite hingegen folgt, daß für den Inbegriff der Symptome der zu 
 heilenden Krankheit diejenige Arznei gesucht werden müsse, welche (je 
 nachdem die Erfahrung zeigt, ob die Krankheitssymptome durch ähnliche oder 
 durch entgegengesetzte Arznei-Symptome (11) am leichtesten, gewissesten 
 und dauerhaftesten aufzuheben u nd in Gesundheit zu verwandeln sind) 
 ähnliche oder entgegengesetzte Symptome zu erzeugen, die meiste Neigung 
 bewiesen hat. 

 11) Die außer diesen beiden noch mögliche Anwendungsart der Arzneien gegen 
 Krankheiten ist die allöopathische Methode, wo Arzneien, deren Symptome 
 keine direkte, pathische Beziehung auf den Krankheitszustand haben, also 
 den Krankheitssymptomen weder ähnlich noch opponirt, sondern ganz 
 heterogen sind, verordnet werden. Diese Verfahrungsweise treibt, wie ich 
 schon anderswo gezeigt, ein unverantwortliches, mörderisches Spiel mit dem 
 Leben des Kranken, mittels gefährlich heftiger, nach ihren Wirkungen 
 ungekann ter Arzneien, auf leere Vermuthungen hin, in großen, öfteren 
 Gaben gereicht; sodann mittels schmerzhafter, die Krankheit auf andere 
 Stellen hinleiten sollender Operationen, mittels Minderung der Kräfte und 
 Säfte des Kranken durch Ausleerungen von Oben und Unten, Schweiß oder 
 Speichelfluß; besonders aber durch Verschwendung des unersetzlichen 
 Blutes, wie es die eben herrschende Routine haben will, blindhin und 
 schonungslos angewendet, gewöhnlich unter dem Vorwande, als müsse der Arzt 
 die kranke Natur in ihre n Bestrebungen sich zu helfen, nachahmen und sie 
 befördern, ohne zu bedenken, wie unverständig es sei, diese höchst 
 unvollkommnen, meist zweckwidrigen Bestrebungen der bloß instinktartigen, 
 verstandlosen Lebenskraft nachahmen und sie befördern zu wollen, welche 
 unserm Organism nur anerschaffen ward, um, solange dieser gesund ist, 
 unser Leben in harmonischem Gange fortzuführen, nicht aber, um in 
 Krankheiten sich selbst zu heilen. Denn besäße sie hiezu eine musterhafte 
 Fähigkeit, so würde sie den Organism gar nicht haben krank werden lassen. 
 Von Schädlichkeiten erkrankt, vermag unsere Lebenskraft nichts anderes, 
 als ihre Verstimmung durch Störung des guten Lebens-Ganges des Organism's 
 und durch Leidens-Gefühle auszudrücken, womit sie den verständigen Arzt um 
 Hülfe anruft, und wenn diese nicht erscheint, so strebt sie durch Erhöhung 
 der Leiden, vorzüglich aber durch heftige Ausleerungen sich zu retten, es 
 koste, was es wolle, oft mit den größten Aufopferungen, oder unter 
 Zerstörung des Lebens selbst. Zum Heilen besitzt die krankhafte verstimmte 
 Lebenskraft so wenig nachahmenswerte Fähigkeit, daß alle von ihr im 
 Organism erzeugten Befindens-Veränderungen und Symptome ja eben die 
 Krankheit selbst sind! Welcher verständige Arzt wollte sie wohl im Heilen 
 nachahmen, wenn er nicht seinen Kranken aufopfern will? 

 23 § 
 Es überzeugt uns aber jede reine Erfahrung und jeder genaue Versuch, daß 
 von entgegengesetzten Symptomen der Arznei (in der antipathischen, 
 enantiopathischen oder palliativen Methode) anhaltende Krankheitssymptome 
 so wenig aufgehoben und vernichtet werden, daß sie vielmehr, nach 
 kurzdauernder, scheinbarer Linderung, dann nur in desto verstärkterem 
 Grade wieder hervorbrechen und sich offenbar verschlimmern (siehe . 58-62 
 und 69). 

 24 § 
 Es bleibt daher keine andere, Hülfe versprechende Anwendungsart der 
 Arzneien gegen Krankheiten übrig, als die homöopathische, vermöge deren 
 gegen die Gesammtheit der Symptome des Krankheitsfalles unter Hinsicht auf 
 die Entstehungs-Ursache, wenn sie bekannt ist, und auf die Neben-Umstände, 
 eine Arznei gesucht wird, welche unter allen (durch ihre, in gesunden 
 Menschen bewiesenen, Befindensveränderungen gekannten) Arzneien den, dem 
 Krankheitsfalle ähnlichsten, künstlichen Krankheits-Zustand zu erzeugen 
 Kraft und Neigung hat. 

 25 § 
 Nun lehrt aber das einzige und untrügliche Orakel der Heilkunst, die reine 
 Erfahrung (12), in allen sorgfältigen Versuchen, daß wirklich diejenige 
 Arznei, welche in ihrer Einwirkung auf gesunde menschliche Körper die 
 meisten Symptome in Ähnlichkeit erzeugen zu können bewiesen hat, welche an 
 dem zu heilenden Krankheitsfalle zu finden sind, in gehörig potenzirten 
 und verkleinerten Gaben auch die Gesammtheit der Symptome dieses 
 Krankheitszustandes, das ist (s. . 6-16), die ganze gegenwärtige Krankheit 
 schnel l, gründlich und dauerhaft aufhebe und in Gesundheit verwandle, und 
 daß alle Arzneien, die ihnen an ähnlichen Symptomen möglichst nahe 
 kommenden Krankheiten, ohne Ausnahme heilen und keine derselben ungeheilt 
 lassen. 

 12) Ich meine nicht eine solche Erfahrung, deren unsere gewöhnlichen 
 Practiker alter Schule sich rühmen, nachdem sie Jahre lang mit einem 
 Haufen vielfach zusammengesetzter Recepte gegen eine Menge Krankheiten 
 gewirthschaftet haben, die sie genau untersuchten, sondern sie schulmäßig 
 für schon in der Pathologie benannte hielten, und in ihnen einen 
 (eingebildeten) Krankheitsstoff zu erblicken wähnten, oder eine andere 
 hypothetische, innere Abnormität ihnen andichteten. Da sahen sie immer 
 etwas, wußten aber ni cht, was sie sahen; Erfolge, die nur ein Gott und 
 kein Mensch aus den vielfachen, auf den unbekannten Gegenstand 
 einwirkenden Kräften hätte enträthseln können, Erfolge, aus denen nichts 
 zu lernen, nichts zu erfahren ist. Eine fünfzigjährige Erfahrung dieser 
 Art ist einem fünfzig Jahre langen Schauen in ein Kaleidoscop gleich, was, 
 mit bunten, unbekannten Dingen angefüllt, in steter Umdrehung sich bewegt; 
 tausenderlei sich immerdar verwandelnde Gestalten und keine Rechenschaft 
 dafür! 

 26 § 
 Dieß beruht auf jenem zwar hie und da geahneten, aber bisher nicht 
 anerkannten, aller wahren Heilung von jeher zum Grunde liegenden 
 homöopathischen Naturgesetze:Eine schwächere dynamische Affection wird im 
 lebenden Organism von einer stärkern dauerhaft ausgelöscht, wenn diese 
 (der Art nach von ihr abweichend) jener sehr ähnlich in ihrer Äußerung ist 
 (13). 

 13) So werden auch physische Affectionen und moralische Übel geheilt. - 
 Wie kann in der Frühdämmerung der hell-leuchtende Jupiter dem Sehnerven 
 des ihn Betrachtenden verschwinden? Durch eine stärkere, sehr ähnlich auf 
 den Sehnerven einwirkende Potenz, die Helle des anbrechenden Tages! - 
 Womit pflegt man in, von übeln Gerüchen angefüllten Örtern, die 
 beleidigten Nasennerven wirksam zufrieden zu stellen? Durch Schnupftabak, 
 der den Geruchssinn ähnlich, aber stärker ergreift! Keine Musik, kein 
 Zuckerbrod, die auf die Nerven andrer Sinne Bezug haben, würde diesen 
 Geruchs-Ekel heilen. - Wie schlau wußte der Krieger das Gewinsel des 
 Spitzruthen-Läufers aus den mitleidigen Ohren der Umstehenden zu 
 verdrängen? Durch die quikende, feine Pfeife mit der lärmenden Trommel 
 gepaart! Und den in seinem Heere Furcht erregenden, ferne Donner der
 feindlichen Kanonen? Durch das tief erbebende Brummen der großen Trommel! 
 Für beides würde weder die Austheilung eines glänzenden Montirungsstücks, 
 noch irgend ein dem Regimente erthe ilter Verweis geholfen haben. - So 
 wird auch Trauer und Gram durch einen neuen, stärkeren, jemand Anderm 
 begegneten Trauerfall, sey er auch nur erdichtet, im Gemüthe ausgelöscht. 
 Der Nachtheil von einer allzu lebhaften Freude wird durch den 
 Überfreudigkeit erzeugenden Kaffeetrank gehoben. Völker, wie die 
 Deutschen, Jahrhunderte hindurch allmälig mehr und mehr in willenlose 
 Apathie und unterwürfigen Sklavensinn herabgesunken, mußten erst von dem 
 Eroberer aus Westen noch tiefer in den Staub getreten werden, bis zum 
 Unerträglichen, und hiedurch erst ward ihre Selbst-Nichtachtung überstimmt 
 und aufgehoben, es ward ihnen ihre Menschenwürde wieder fühlbar, und sie 
 erhoben ihr Haupt zum ersten Male wieder als deutsche Männer. 

 27 § 
 Das Heilvermögen der Arzneien beruht daher (§12-26) auf ihren der 
 Krankheit ähnlichen und dieselben an Kraft überwiegenden Symptomen, so daß 
 jeder einzelne Krankheitsfall nur durch eine, die Gesammtheit seiner 
 Symptome am ähnlichsten und vollständigsten im menschlichen Befinden 
 selbst zu erzeugen fähigen Arznei, welche zugleich die Krankheit an Stärke 
 übertrifft, am gewissesten, gründlichsten, schnellsten und dauerhaftesten 
 vernichtet und aufgehoben wird. 
 

§ 104 VI ORG. "Ist nun die Gesamtheit der, den Krankheitsfall vorzüglich bestimmenden und auszeichnenden Symptome, oder mit anderen Worten, das Bild der Krankheit irgend einer Art einmal genau aufgezeichnet 1), so ist auch die schwerste Arbeit geschehen. Der Heilkünstler hat es dann bei der Cur, vorzüglich der chronischen Krankheit immer vor sich, kann es in allen seinen Theilen durchschauen und die charakteristischen Zeichen herausheben, um ihm eine gegen diese, das ist, gegen das Uebel selbst gerichtete, treffend ähnliche, künstliche Krankheitspotenz in dem homöopathisch gewählten Arzneimittel entgegenzusetzen, gewählt aus den Symptomenreihen aller, nach ihren reinen Wirkungen bekannt gewordenen Arzneien. Und wenn er sich während der Cur nach dem Erfolge der Arznei und dem geänderten Befinden des Kranken erkundigt, braucht er bei seinem neuen Krankheitsbefunde von der ursprünglichen Gruppe der zuerst aufgezeichneten Symptome, bloß das in seinem Manuale wegzulassen, was sich gebessert hat, und dazu zu setzen was noch davon vorhanden, oder etwa an neuen Beschwerden hinzu gekommen ist." 

Zusammmenfassung Fußnote 1) 

In dieser Fußnote weist Hahnemann darauf hin, daß eine schriftliche Dokumentation für die korrekte Ausübung der Homöopathie unerläßlich ist. Er wendet sich hier kritisch gegen seine ärztlichen Zeitgenossen, denen er vorwirft, zuviele Patienten nur oberflächlich zu behandeln, und sich dennoch "rationelle Heilkünstler" zu nennen. 

§ 153 VI ORG. "Bei dieser Aufsuchung eines homöopathisch specifischen Heilmittels, das ist, bei dieser Gegeneinanderhaltung des Zeichen-Inbegriffs der natürlichen Krankheit gegen die Symptomenreihen der vorhandenen Arzneien, um unter diesen eine, dem zu heilenden Uebel in Aehnlichkeit entsprechende Kunstkrankheits-Potenz zu finden, sind die auffallendern, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptome 1) des Krankheitsfalles, besonders und fast einzig fest in´s Auge zu fassen; denn vorzüglich diesen, müssen sehr ähnliche, in der Symptomenreihe der gesuchten Arznei entsprechen, wenn sie die passendste zur Heilung sein soll. Die allgemeinern *) und unbestimmtern: Eßlust-Mangel, Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger Schlaf, Unbehaglichkeit u.s.w., verdienen in dieser Allgemeinheit und wenn sie nicht näher bezeichnet sind, wenig Aufmerksamkeit, da man so etwas Allgemeines fast bei jeder Krankheit und jeder Arznei sieht." 

Zusammmenfassung Fußnote 1) 

Hinweis auf die Repertorien von v. Bönninghausen und Jahr 

§ 211 ORG. VI "Dies geht soweit, daß bei homöopathischer Wahl eines Heilmittels, der Gemüthszustand des Kranken oft am meisten den Ausschlag giebt, als Zeichen von bestimmter Eigenheit, welches dem genau beobachtenden Arzte unter allen am wenigsten verborgen bleiben kann." 

§ 212 ORG. VI "Auf diese Haupt-Ingredienz aller Krankheiten, auf den veränderten Gemüths- und Geisteszustand, hat auch der Schöpfer der Heilpotenzen vorzüglich Rücksicht genommen, indem es keinen kräftigen Arzneistoff auf der Welt giebt, welcher nicht den Gemüths- und Geisteszustand des ihn versuchenden, gesunden Menschen, sehr merkbar veränderte, und zwar jede Arznei auf verschiedene Weise." 

213 ORG. VI "Man wird daher nie naturgemäß, das ist nie homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem, selbst akuten Krankheitsfalle, zugleich mit auf das Symptom der Geistes- und Gemüts- Veränderung siehet und nicht zur Hülfe eine solche Krankheits-Potenz unter den Heilmitteln auswählt, welche nächst der Aehnlichkeit ihrer anderen Symptome mit denen der Krankheit, auch einen ähnlichen Gemüts-oder Geistes-Zustand für sich zu erzeugen fähig ist 1." 

1 Fußnote: "So wird bei einem stillen, gleichförmig gelassenen Gemüthe, der Napell-Sturmhut selten oder nie eine, weder schnelle noch dauerhafte Heilung bewirken, eben so wenig, als die Krähenaugen bei einem milden, phlegmatischen, die Pulsatille bei einem frohen, heiteren und hartnäckigen, oder die Ignazbohne bei einem unwandelbaren, weder zu Schreck, noch zu Aerger geneigten Gemüthszustande." 

 


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